Weltmissionssonntag 1966

 

1)    ãIm Herzen steckt der Mensch, nicht im KopfÒ. Dieses Wort stammt vom Pessimisten unter den Philosophen, von Schopenhauer. Das ist eine ganz und gar christliche Erkenntnis: Im Herzen steckt der Mensch, nicht im Kopf. Der Kopf wŸrde uns an diesem Tag sagen: Es hat doch keinen Sinn sich um geistliche Berufe zu sorgen und dafŸr zu arbeiten, wenn mitten in unserem eigenen Land Heidentum heranwŠchst. Das Herz aber sagt: Es gibt in den MissionslŠndern so viele Hungernde, leiblich und seelisch Hungernde, denen wir helfen kšnnen und helfen mŸssen. Das Herz sagt uns: wir mŸssen von dem Wohlstand und Reichtum, der uns geschenkt ist, materiell und spirituell, den Hungernden mitteilen. Die Liebe teilt!

2)    ãDu kannst die Welt verwandelnÒ. Das ist der Titel eines Buches, das der deutschamerikanische GrŸnder der Christopher-Bewegung James Keller geschrieben hat. Darin schŠrft er unseren Blick fŸr die Anliegen der Weltkirche. Er berichtet u.a. von einem aussŠtzigen, hungernden MŠdchen in SŸdchina, das eines Tages vom Pšbel seines Heimatdorfes mit Stšcken und Steinen hinausgetrieben wurde. Ein Missionar sah den Menschenauflauf, trat unter die Menge, nahm das Kind auf seine Arme und trug es fort. Die Meute wich zurŸck und schrie: Das MŠdchen hat Aussatz! Aussatz! Aussatz! – Dem Missionar machte das nichts. Er Ÿbergab das Kind den Missionsschwestern zur Pflege, kŸmmerte sich aber auch selber weiter voll Liebe um das MŠdchen. Eines Tages fragte dieses: ãWarum kŸmmerst du dich so lieb um mich?Ò – Und der Missionar antwortete dem MŠdchen: ãWeil Gott uns beide erschaffen hat, dich und mich. Deshalb bist du meine Schwester und ich bin dein Bruder. Du wirst nie mehr hungrig und heimatlos sein!Ò – ã Aber wie kann ich dir das vergelten?Ò – Und der Pater darauf: ãSchenk mšglichst vielen die gleiche Liebe!Ò

Das aussŠtzige MŠdchen tat es, vom Tag ihrer Taufe und Erstkommunion an bis zum Tage ihres Todes, drei Jahre lang immer mehr. Sie verband den anderen AussŠtzigen die Wunden, fŸtterte sie, liebte sie. Beim Tod dieses 14jŠhrigen MŠdchens sagen die AussŠtzigen: ãUnser Sonnenschein ist in den Himmel zurŸckgekehrt!Ò

Ein Sonnenschein, ein Abglanz des verlorenen Paradieses ist jeder Christ, der die nŠchsten und die Fernsten um Gottes Willen selbstlos liebt nach dem Vorbild Christi.

Und wer das nicht gelernt hat in seinem Leben und wer das nicht geŸbt hat in seinem Leben, der mag in den Augen der Welt noch so viel geleistet haben, in den Augen Gottes war er ein armseliger Versager, gar nicht wert, ein Christ zu hei§en.

3)    Mahatma Gandhi, der BegrŸnder des freien, unabhŠngigen Indien, war kein Christ, aber er war so christlich gesinnt, dass er sagte: ãFragt dich ein Hungernden: Wo ist Gott? Dann gib ihm Brot, Brot der Liebe, und er wird dir sagen: Hier ist Gott!Ò

Wer wie dieser Gottsucher Gandhi keinen Menschen als AuslŠnder betrachtet, der irgendwo in der Welt darbt oder dahinsiecht, der fragt nicht danach, ob seine Liebesgabe einem Hindu oder Buddhisten zugutekommt, auch der barmherzige Samaritan hat nicht nach der NationalitŠt und Konfession des unter die RŠuber Gefallenen gefragt, sondern hat geholfen, selbstlos und schnell.

Die leiblich und seelisch Hungernden in Asien und Afrika und SŸdamerika sind genau genommen unsere grš§ten WohltŠter, sie treiben uns nŠmlich das Schlimmste aus, das es gibt, die Ichsucht, die Selbstsucht. Die Armen in den MissionslŠndern, in den EntwicklungslŠndern, denen wir durch unsere Anteilnahme, durch unsere Opfer und Gebete helfen, bringen uns bei, beherzt den Sprung zu wagen aus dem Teufelskreis der Gedanken, die sich nur um den eigenen Wohlstand und das eigene Wohlergehen drehen.

Wer in Wohlstand lebt und sorgenfrei ist, der bedarf der Armen, damit er kein Besessener, kein in sein eigenes Ich Verkrampfter wird.

Die Bereitschaft, die Welt in den Blick und die Weltanliegen der Kirche in den Missions- und EntwicklungslŠndern ins Herz zu nehmen, wird Gott sei Dank bei uns, gerade auch in den Reihen der Jugend, immer grš§er. Diese Bereitschaft reicht vom geduldig ertragenen Leid unserer Kranken, die ihre Schmerzen fŸr die Missionen aufopfern Ÿber das Scherflein der Witwe und Rentnerin bis hin zum Gro§einsatz der Kath. Jugend bei der Sternsingeraktion und bei der Aktion Bruder in Not bis hin zu jenen, die mutig und selbstlos als Laienmissionshelfer oder als Missionsschwerstern, MissionslaienbrŸder und Missionspriester hinausziehen und ihre Kraft und ihr Kšnnen fŸr das Reich Gottes in den Missionen einsetzen.

Der Hl. Vater hat in seiner Radiobotschaft zum heurigen Weltmissionssonntag gesagt, kein Katholik soll ruhig schlafen kšnnen, wenn er wei§, dass viele viele Seelen nur deshalb von Gott, von Christus und seiner Kirche nichts wissen, weil den Missionaren jene materiellen Hilfen fehlen, die man ihnen mit einem geringfŸgigen persšnlichen Opfer gar leicht geben kšnnte. Und weiter sagte der Papst: Die Katholiken dŸrfen nicht indifferent bleiben gegenŸber der Not von Tausenden von Hungernden. AussŠtzigen, UnterernŠhrten, die zum Tod verurteilt sind, weil ihnen jenes Nštige fehlt, das die anderen in †berfluss haben. Und der Papst dankte den Missionaren, den Missionsschwestern und den Laienmissionshelfern, die sich Tag fŸr Tag mit wahrem Heroismus der Ausbreitung des Evangeliums sowie der geistigen und materiellen Hebung der Menschen in den MissionslŠndern widmen, weil sie von der Liebe Christi gedrŠngt hinausgezogen sind.

Lassen wir uns von ihrem Beispiel anspornen zum Opfer, zur Selbstlosigkeit und zur Liebe. Lasst euch vor allem anstecken vom missionarischen Geist der Selbstlosigkeit und von der Hochgemutheit eines echten, lebendigen Christentums der Liebe und GŸte, damit euch nicht der Vorwurf trifft, den neulich ein junger indischer Student in MŸnchen ausgesprochen hat, als er sagte:

ãIch mšchte Christus nachfolgen. Aber wenn ich das Leben vieler Christen sehe, dann scheint es mir besser, ich bleibe ein Hindu. Ich liebe und achte Christus, aber nicht die Christen.Ò